Vom notwendigen Managementwandel in der digitalen Transformation

Michaela Scheller • 13. Dezember 2021

Auszug aus "Unternehmenskultur als "Schmiermittel" der Kommunikation" (Michaela Scheller) in Zukunftsfähigkeit durch Innovation, Digitalisierung und Technologien, Springer 2021

Unter den Rahmenbedingungen einer zunehmend komplexen Umwelt müssen komplexe Entscheidungen getroffen und entsprechend flexibel gehandelt werden. Die bisherigen, hierarchischen Modelle sind zu schwerfällig, um auf die hohe Dynamik adäquat reagieren zu können. Dies zeigt sich am Beispiel von Nokia. Der finnische Konzern beherrschte den Mobilfunkmarkt noch Ende 2005 mit über 30% Marktanteil (Handelsblatt, 2005). Nachdem der Konzern mit einigen Innovationen gescheitert war, entschied das Management 2006 nur noch auf kurzfristige Gewinne und das Tastentelefon zu setzen. Das Management blieb starr, zeigte sich nicht flexibel und aufgeschlossen für die Bedarfe am Markt und griff auf bis dahin bewährte Handlungsmuster zurück.

Von 2007 bis 2012 stürzte der Marktanteil auf 3,5% ab und die Handysparte wurde 2013 von Microsoft übernommen (die dann auch erfolglos 2014 eingestellt wurde).

 

Innerhalb der bisherigen, hierarchischen Systeme herrschte „command and control“ (oder auch „predict and control“). Hierbei sind die Personen an der Spitze der Organisation über alles informiert, um auf dieser Basis Entscheidungen treffen und die Ausführung kontrollieren zu können. Mit „einfachen“ und „komplizierten“ Herausforderungen sind diese Systeme stabil und erfolgreich. Durch die oben beschriebene, veränderte Umwelt setzt sich nun mehr und mehr das „sense and response“ Prinzip durch: Das Treffen von Entscheidungen ist über die gesamte Organisation verteilt, wobei man davon ausgeht, dass die Mitarbeitenden sich in ihrem Bereich am besten auskennen und damit auch die besten Entscheidungen treffen können. Die für die komplexen Herausforderungen so wichtigen Ideen können hier entstehen und die Flexibilität gegenüber dem Markt gewährleistet werden. (Unabhängig davon gibt es natürlich weiterhin auch Tätigkeiten, die sich immer wiederholen (hat sich z.B. ein Versandsystem als passend erwiesen, muss es nicht bei jedem neuen Versand auf seine Tauglichkeit hin geprüft werden). Für diese Tätigkeiten Routinen zu entwickeln und sie beizubehalten steht außer Frage.)

 

„Die neue Arbeitswelt braucht ein neues Verständnis von Führung. Ziel ist es, die Mitarbeiter nicht zu kontrollieren, sondern ihnen auf Augenhöhe zu begegnen und sie zu befähigen. Mitarbeiter brauchen Unterstützung und Freiräume, um Innovationen zu erkennen, Chancen und Risiken abzuwägen und Entscheidungen eigenständig zu treffen. Nur so können neue Ideen schnell ausprobiert und umgesetzt werden. Auch Fehler bringen uns weiter.“ (Scharner-Wolff 2017).

 

„Für Unternehmen bedeutet dies, schneller auf unvorhergesehene Ereignisse reagieren zu können. Oder selber Veränderung durch Innovation voranzutreiben. Dafür müssen sie die Grenzen von Ab-Teilungen auflösen und interdisziplinäre Teams aufstellen. Der soziale Austausch, die sogenannte informelle Kommunikation gewinnt damit an strategischer Bedeutung.“ (Zukunftsinstitut 2018).

 

Sinnvoll sind also agile, netzwerkartige Organisationen, um kompetent und schnell mit sich wandelnden Herausforderungen umgehen zu können. Wir befinden uns damit in dem größten Transformationsprozess der Arbeitswelt seit der industriellen Revolution.

 

Dabei handelt es sich um eine Entwicklung, die eine klare, betriebswirtschaftliche Notwendigkeit hat. Dieser Managementwandel ist also eine Reaktion auf die veränderten Märkte und das Umfeld. Die Digitalisierung unterstützt diese Entwicklung, was vor allem in Ausnahmesituationen wie beispielsweise der Corona-Pandemie deutlich wird. Am Beispiel dieser aktuellen Situation zeigt sich, an welchen Stellen die (digitale) Transformation schwierig ist: Behörden, die noch immer stark mit einem „command and control“ Ansatz arbeiten und gleichzeitig einen recht geringen Kundenfokus haben, tun sich schwer damit, flexibel auf die Kontaktsperre zu reagieren (nach 5 Wochen Kontaktsperre stehen nun endlich Laptops für die Angestellten zur Verfügung, damit sie ihre Tätigkeit von zu Hause ausführen können). Ein flexibles Reagieren auf Veränderungen war bisher nicht notwendig und gestaltet sich in dieser Ausnahmesituation schwierig.

 

Metaplan hat gemeinsam mit Haufe eine qualitative Studie zum Corona-Management von Unternehmen durchgeführt (derzeit noch nicht veröffentlicht). Diese zeigt Folgendes: „Während in nahezu allen Unternehmen die Arbeit dezentralisiert wurde, die MitarbeiterInnen von zuhause aus arbeiten, wurden Entscheidungen zentralisiert. Organisationen agieren gleichzeitig dezentral, von den Rändern aus, und werden zentral geführt.“ (Pause, 2020).

 

Unabhängig davon, von welchem Unternehmen oder welcher Behörde wir reden: Immer arbeiten Menschen in Organisationen. Der digitale Wandel ist weit mehr als eine technologische Entwicklung. Er verändert Menschen und deren Arbeitsweise selbst in vielerlei Hinsicht durch die veränderten Rahmenbedingungen. „Denn die sehr viel grundlegenderen Veränderungen betreffen die Art und Weise, wie Menschen zusammenarbeiten. Wie sie ihr Wissen teilen und daraus neue Ideen entstehen.“ (Steinle 2018a).

 


von Michaela Scheller 24. November 2023
„Wir wollen effizienter werden, besser zusammenarbeiten und mit den Trends gehen.“ Aussagen, die ich häufig aus Unternehmen höre, wenn es um neue IT Systeme geht. Die Lizenzen laufen aus, das ist meist der eigentliche Grund des Wechsels. Diesen kann man allerdings nicht so schön kommunizieren. Stattdessen nun also Effizienz, verbesserte Zusammenarbeit und ein moderner Anstrich. So weit, so gut. Nehmen wir nun einmal an, es gibt Mitarbeitende, die bereits seit 10, 20, 30 Jahren wie folgt arbeiten: Sie stellen Präsentationen erst in Gruppenlaufwerk, wenn sie perfekt sind. Wissen behalten sie vorzugsweise bei sich und geben es erst in dem Moment preis, wenn sie selbst etwas davon haben. Die anderen Abteilungen sind zwar ganz nützlich, aber auch gut, um über sie zu schimpfen („Ich würde ja, wenn die Anderen erst mal ihre Arbeit machen würden“). Die eigene Arbeit hat Vorrang vor der Unterstützung Anderer bei der Zielerreichung. Ich kann mir vorstellen, dass wir alle solche Menschen kennen. Und sie haben sich in ihrem Unternehmen vermutlich bisher genau richtig verhalten. Das System hat sie dafür belohnt, so zu handeln. Anderes Verhalten wurde, in welcher Art auch immer, sanktioniert oder zumindest nicht honoriert. Nun generieren alle „neuen“ Tools aber erst dann einen wirklichen Mehrwert, wenn Menschen anfangen, anders zu arbeiten. Das Teilen von Informationen wird wichtiger. Unfertige Präsentationen können von Anderen eingesehen und vielleicht sogar bearbeitet werden. Es ist gewünscht, dass die Kooperationen von Abteilungen verstärkt wird und Wissen und Ideen sollen hierarchiefrei zugänglich sein. Was hilft? Was bringt Menschen dazu, entgegen ihrer Gewohnheit anders zu arbeiten? Statt nur an den Tools und Skills zu arbeiten, ist es wichtig, zusätzlich die Organisation auf den Prüfstand zu stellen. Welche Strukturen gibt es, die das bisher gezeigte Verhalten unterstützen? Wenn ich z.B. möchte, dass alle besser mit einander kooperieren und auch „freiwillig“ ihr Wissen mit Anderen teilen – kann ich dann wirklich als Unternehmen noch auf individuelle Zielvereinbarungen setzen? Oder sogar eine „verursachungsgerechte Stundenbuchung“ aufrecht erhalten? An welchen Stellen kann die Organisation verschlankt werden? Wie kann ich Räume schaffen, in denen mit den neuen Tools experimentiert werden kann (so dass positive Erfahrungen entstehen)? Tools wie die von Microsoft Office 365 können dabei immer nur unterstützen, ihr Einsatz allein ist jedoch kein Erfolgsrezept.
von Michaela Scheller 24. November 2022
Ein Schild, wie es in vielen Firmen hängt. Es ist fast schon Standard und mal lustiger, mal seriöser formuliert. Gerne auch noch mit einem Bild versehen. Natürlich geht es um die Arbeitssicherheit, um Unfallvermeidung. Wenn ich allerdings zur Mittagszeit nur wenige Minuten in einem beliebigen Unternehmen im Treppenhaus stehe, finden sich maximal 1-2 Personen, die wirklich den Handlauf nutzen. Das sähe vermutlich auch sehr lustig aus, wenn Gruppen, die zum Essen gehen, alle hintereinander am Handlauf entlang gehen würden. Da erstirbt jedes Gespräch. Uns ist vermutlich allen klar: Wenn wir auf der Treppe stolpern, tut es im günstigsten Falle nur kurz weh. Dennoch wählen wir den Weg in der Mitte der Treppe. Diese Schilder sind in guter Absicht aufgehängt worden. Davon gehe ich jetzt einmal aus. Oder ist es so, dass die Unternehmen sich damit nur absichern? Sicherlich nicht… Ich frage mich aber schon, welches Bild von den Mitarbeitenden dahintersteht. Wird ihnen nicht zugetraut, dass sie selbst wissen, was gut für sie ist? Braucht es in der Wahrnehmung eine Aufforderung wie bei kleinen Kindern, sich abzusichern? Was vermittelt das eigentlich genau? Ist es da nicht nur konsequent, diesen Hinweis zu ignorieren? Das bringt mich zu der Frage, wie wir im Change Management arbeiten. Welche Annahmen haben wir bezüglich derer, die wir „mitnehmen“ wollen im Veränderungsprozess? Weshalb werden auch hier so viele (in guter Absicht) erstellten Unterlagen und Formate ignoriert? Hat es vielleicht auch damit zu tun, dass wir versuchen, andere Menschen zu bevormunden? Überall wird der Ruf laut, Mitarbeitenden mehr Verantwortung zu geben. Selbst entscheiden zu lassen und bitteschön nicht immer die Führungskraft für Lappalien zu fragen. Gleichzeitig bereiten wir den gesamten Change Prozess in winzige Häppchen auf und servieren ihn möglichst interpretationsfrei und mundgerecht. Glaube wir wirklich, dass das notwendig ist? Ist es nicht vielmehr an der Zeit, Mut zur Lücke zu beweisen und alle Mitarbeitende auch ganz aktiv die Veränderung gestalten zu lassen statt sie ihnen „vorzukauen“? Immer wieder bin ich in Beratungsprozessen, in denen Letzteres fast automatisch passiert. Ein Reflex. Nicht in böser Absicht aber erlernt durch „das machen wir hier so“. Hier braucht es m.E. immer wieder einen Spiegel, der noch einmal kritisch hinterfragt: „Machen wir eigentlich die richtigen Dinge?“ (statt „Machen wir die Dinge richtig?“). Vielleicht hilft es auch, sich selbst noch einmal zu fragen, wie das auf einen persönlich wirken würde. Manchmal ist weniger eben mehr.
von Michaela Scheller 13. Dezember 2021
Auszug aus "Unternehmenskultur als "Schmiermittel" der Kommunikation" (Michaela Scheller) in Zukunftsfähigkeit durch Innovation, Digitalisierung und Technologien, Springer 2021
von Michaela Scheller 13. November 2020
Bei allen Herausforderungen, die das Corona-Virus mit sich bringt: Ich sehe es auch als große Chance, die Digitalisierung, die dafür notwendigen Skills und das erforderliche Mindset voranzubringen.
von Michaela Scheller 17. August 2020
Bei einem Barcamp stellte sich die Frage für Vertreter eines großen Konzerns, wie sie die Führungskräfte (vor allem Teamleiter) in die Verantwortung nehmen können, den Change mit zu tragen und ihn sogar aktiv voranzutreiben. Aus der grundsätzlichen Fragestellung, mit der dieses Unternehmen ja nicht allein ist, ergab sich eine sehr gute Diskussion.
von Michaela Scheller 7. Januar 2019
Elephant in the room - Unser Moderationskartenset gewinnt den Transformatino Pitch bei Festival of Change des Handelsblattes in Köln! Die Idee setzte sich mit weitem Abstand durch gegen die anderen Tools von EY, IBM und SYNC und Now Bildungsmanagement. Bei unvorteilhaften 34 Grad auch filmisch dokumentiert: https://youtu.be/QR3ZIXbjvok?si=FLJ_WAdaG4yrvHmS&t=3